9 Tipps, um weniger zu üben und trotzdem besser zu werden
1. Was sind deine Stücke?
2. Warum übst du die? Willst du sie spielen oder hat die dir irgendein Lehrer aufgegeben?
1. Was sind deine Stücke?
2. Warum übst du die? Willst du sie spielen oder hat die dir irgendein Lehrer aufgegeben?
Klar mache ich wegen Corona keine Probespiele für Orchesterstellen! Aber jetzt mal im Ernst:
ALLE wollen die Orchesterstelle, für die DU dich interessierst! Und ich will dir nicht ausreden, das Probespiel dafür zu machen. Es gibt aber ein paar Dinge, die du meiner Meinung nach wissen solltest und die dir – wie immer – mal wieder niemand erzählt hat, dabei solltest du sie wissen und hast es auch verdient, dass man sie dir sagt.
Wenn du tatsächlich ernsthaft daran interessiert bist, ein Probespiel zu gewinnen, dann musst du dich selber “challengen” und dies tatsächlich auch ein bisschen als Wettbewerb sehen und daran Spaß haben, denn: es ist einer. Sprich:
Ich könnte diese Liste hier noch viel länger (!) fortsetzen, doch da ich in diesem Artikel kein Coaching gebe und dir lediglich erzähle, warum ich keine Probespiele mehr mache, halte ich sie kurz.
Wenn du ins Orchester willst, bzw. deine Traumstelle gewinnen möchtest, dann muss dir eines klar sein: als Teil eines Orchesters bist du quasi ein Zahnrad eines Uhrlaufwerks, sprich: du hast zu funktionieren. Solange du nicht Solocellist oder Konzertmeister bist – und selbst dann! – sind für deine großen Kopfschütteldramen und mimischen Gesten hier kein Platz. Kümmer dich lieber darum, dass du an jeder Stelle – wie alle anderen! – den gleichen Strich machst, nicht zu laut und nicht zu leise bist, nicht schleppst und nicht rennst, nicht in die Pausen spielst und – bitte! – die schnellen Läufe nicht einfach nur pfuschst… Nicht, dass ich es besser wüsste oder könnte, aber… GENAU DARUM GEHT ES IM ORCHESTER!! Also. Pass dich an! Werde das perfekte Zahnrad in der Uhr und trage dadurch zum faszinierenden Gesamterlebnis für das Publikum bei (erwarte hinterher aber auch nicht, dass sie dich dafür beklatschen – nein, nein, das sieht von der Bühne aus nur so aus).
Hier kommen ein paar andere Dinge, die du aus meiner Sicht wissen darfst und solltest, vielleicht noch nicht wusstest und vermutlich auch nicht gedacht hättest.
Number #1
Ein Sprecher eines großen deutschen Spitzenorchesters hat in einem Beitrag eines großen deutschen Kultursenders mal gesagt – vielleicht war es aber auch die Berichterstatterin, da bin ich mir nicht mehr sicher – dass sie nach diesen langen, anstrengenden Probespieltagen, nach all diesen Dutzenden Teilnehmern, die sie gehört haben, im Durchschnitt etwa die beste “Mitte” nehmen. Das bedeutet konkret: spielst du zu gut, kriegst du die Stelle nicht, denn du passt nicht ins Konzept und bist besser als die Kollegen. Spielst du zu schlecht, kriegst du sie auch nicht, denn dann blamieren sie sich mit dir. Du musst also perfekt in der Mitte liegen, heißt: zweifle nicht an deinem Können, wenn dein Nachbar im Einspielzimmer besser ist als du – vielleicht fliegt er wegen seines Könnens sowieso raus oder kommt gar nicht erst in die nächste Runde. Sei aber auch nicht zu locker drauf, denn dann läufst du Gefahr, alles auf die leichte Schulter zu nehmen und dich nicht mehr anzustrengen – sei einfach genau so, dass du die Mitte triffst und die Stelle kriegst! 😉
Number #2
Ob du es glaubst oder nicht: B- oder C-Orchester nehmen manchmal – obwohl da sehr gute Leute vorspielen – lieber gar keinen, um ein bisschen ihrer Macht zu demonstrieren, die sie als kleines, nicht so wahnsinnig gutes Orchester auch haben bzw. um zu zeigen, dass sie mit den großen Spitzenorchestern mithalten können. Sollte das jetzt einer von jenen lesen, werden sie Wut auf mich haben oder mich belächeln. Für mich geht es aber nicht darum, dass ich allen gefalle, sondern darum, dir zu helfen indem ich dafür sorge, dir ehrlich die Wahrheit zu sagen.
Number #3
Stellen sind manchmal schon vergeben und müssen dennoch (weiterhin bzw. bis zu einer bestimmten Frist) öffentlich ausgeschrieben sein/ bleiben. (Mir wurde z.B. mal eine Stelle “durch die Decke” angeboten, weil jemand gehört hat, wie ich in meiner Wohnung über ihm geübt habe – keine Frage, ich habe mich riesig gefreut und fühlte mich geehrt. Dennoch stellte sich mir die Frage, wie das so “unter der Hand” geht…)
Number #4
Du kannst wahnsinnig gut spielen! Wenn aber einer in der Jury der Meinung ist, du streichst “schief” mit deinem Bogen und damit gleichzeitig aufzeigt, dass er/ sie keine Ahnung von Strichstellenverschiebung hat, dann bekommst du die Stelle nicht! Gleichzeitig kommst du vielleicht noch zu dem Schluss, dass du nicht gut genug wärst! Hör´auf, das zu denken – ich sage dir doch gerade, wie der Hase läuft.
Number #5
Viele, v.a. ältere Orchestermitglieder, haben ihre Stellen früher durch Umstände erhalten, die dir nicht bekannt sind. Manche durch ihre persönliche Bestleistung, manche nach dem 100sten Probespiel, manche durch ihren langjährigen Lehrer – wie auch immer: sie haben es geschafft in einer Zeit, in der es noch keine Zeitverträge, nicht diese Einsparungen und auch nicht so ein Unverhältnis zwischen hoch ausgebildeten Orchestermusikern und Stellen gab. Wären sie heute in deiner Situation, dann müssten sie sich ebenfalls jedes ein bis dritte Jahr wieder bewerben oder wären froh, wenn sie wenigstens Elternzeitvertretung machen dürften. Gleichzeitig müssten sie sich bei zunehmendem Alter und abnehmender körperlicher Leistungsfähigkeit jedes Probespiel erneut mit frischen Hochschulabsolventen messen, die dadurch gerade mehr Training, Mentoring und eventuell auch Wettbewerbserfahrung haben, sprich: all jene wären heute tatsächlich nicht mehr in der Lage, in einer globalisierten Welt “so einfach” ihre Stelle zu bekommen. Nicht, dass es früher einfacher gewesen wäre, denn alles steht immer im Verhältnis, aber: auch heute ist es definitiv kein Fingerschnippen, die persönliche Traumstelle zu bekommen.
Number #6
Orchester gucken in deinem Lebenslauf auf drei Dinge zuerst:
Der Einstieg ins Orchester ist fast immer eine Akademie- oder Praktikumsstelle! Und da diese meist bis zum 27. Lebensjahr – mittlerweile noch viel früher! – begrenzt sind, brauchst du Berufserfahrung und am besten nicht zu knapp!
Number #7
Du solltest definitiv mal eine Hochrechnung machen, was dich das ganze Probespielprozedere tatsächlich finanziell kostet! Denn: wenn es dein Traum ist, dann klappt es u.U. nicht beim ersten Mal und du solltest ein bisschen durch die Gegend fahren und dich auch auf all die anderen freien Stellen bewerben. An- und Abreise bzw. Hotelkosten/ Übernachtung und Verpflegung zahlen die Orchester natürlich nicht, wenn du nicht gewinnst. Ich kenne Leute, die haben über 80 Probespiele gemacht – das geht definitiv ins Geld und dafür brauchst du Rücklagen!
Nun, in diesem Beitrag geht es dennoch nicht darum, Orchester, seine Mitglieder, Probespiele oder den Dienst in irgendeiner Form schlecht zu reden, ganz im Gegenteil. Ich persönlich spiele liebend gerne im Orchester und bin durch meinen Opa, der Solo-Oboist im MDR war, mit Gewandhauskonzerten, Kollegen- und “Orchesterkram” aufgewachsen. Ich liebe es, Teil dieses riesigen Klangkörpers zu sein und freue mich immer, wenn ich als Aushilfe angefragt werde. Aber genau darum geht es für mich: aushilfsweise zu spielen und damit die Abwechslung zu haben, die ich – weil ich dieser Typ bin – für mich brauche, reicht mir und macht mich glücklich. Denn gleichzeitig finde ich das stundenlange sitzen und “schrubben” wahnsinnig anstrengend. Dabei bekomme ich nämlich jedes Mal ganz schnell wieder Panik, weil ich merke, wie mein bewusstes Spiel abstumpft und verkommt, da ich in dem ganzen Lärm die vielen kleinen Feinheiten meines Spiels überhaupt nicht mehr höre.
Was du dir v.a. aber mal ganz klar bewusst machen solltest, ist Folgendes: nicht jede/r ist tatsächlich der Typ “Orchestermusiker” und da sind wir wieder bei dem Punkt, den ich ganz zu Anfang angesprochen habe: das perfekte Zahnrad im Uhrgetriebe. Im Grunde genommen ist es nämlich genauso wie im allgemeinen Arbeitsleben auch: bist du eher der Typ Angestellter oder eher Unternehmer, also: ein kreativer Visionär und Pionier, dem Dinge auffallen, die verbesserungswürdig sind, die es noch nicht gibt oder dringend geben müsste und der deshalb sein eigenes Unternehmen gründet. Na? Was trifft auf dich zu? Ganz ehrlich! Bei mir war es, wenn ich ganz ehrlich bin, eher so, dass ich unbedingt ins Orchester wollte, dass das ein Traum von mir war – meine Lehrer und Förderer hielten mich schon immer für eine Solistin, also der etwas “ausgeflipptere” Typ, der irgendwann eingeht, wenn er seine Individualität nicht leben kann… Mein Traum vom Orchesterspielen hat sich aber nach und nach als heiße Lust, äh – LUFT! – aufgelöst, weil mir mehr und mehr all die Dinge, über die ich hier in diesem Artikel geschrieben habe, aufgefallen sind.
Wenn du also wirklich wirklich wirklich ins Orchester willst und genau das dein Traum ist, dann musst du einfach nur akribisch und v.a. hartnäckig sein, also wirklich und unbedingt so lange dran bleiben und beharrlich aus deinen Lernerfahrungen lernen, bis du es geschafft hast – und du wirst es schaffen! Davon bin ich überzeugt, denn es gibt für alles einen Weg und wenn du so vorgehst, wie einen Satz vorher beschrieben, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis du den Nagel auf den Kopf getroffen hast. Sollte er dann immer noch nur halb in der Wand sein, bist du bis dahin wenigstens Weltmeister im Probespielen geworden und kannst daraus ein fettes Business machen und anderen helfen, indem du sie coachst (sofern du überhaupt ein guter Coach bist und weißt, wie man richtig mit Menschen umgeht und sie an ihr Ziel führt).
Ich selbst habe übrigens nur vier Probespiele gemacht und hätte genauso diese Entscheidung treffen können, akribisch und hartnäckig am Ball dafür zu bleiben. Dabei habe ich aber gemerkt, dass das tatsächlich nicht mein Lebensziel und -inhalt sein soll, denn ich bin überhaupt nicht der Typ, der sich stundenlang zu Hause ein-igelt, nur, damit er irgendwann einmal stundenlang in stickiger Orchesterluft weiter einge-igelt ist und sich nach zwei Jahren wieder Gedanken darum machen muss, wo die nächste Stelle herkommt. Ich habe, noch im Studium, andere gefragt, warum sie ins Orchester wollen und eine Antwort werde ich niemals vergessen: “Weil ich nichts anderes kann, ich wüsste gar nicht, was ich anderes machen sollte!” – Aha. So ist es also? “Dann bin ich ja erst recht nicht der Typ dafür!”, habe ich mir damals gedacht. Denn diese Sache ist bei mir definitiv anders, denn ich weiß, dass ich Vieles kann und bin auch nach wie vor total neugierig und interessiert an anderen Dingen, die ich spannend finde. Gleichzeitig brauche ich ein Umfeld, in dem ich nicht die Einzige bin, die vegan isst und sich die Pausen nicht mit Zigarette rauchen oder Kaffee trinken vertreibt – das inspiriert mich definitiv nicht! Genauso wenig wie Musiker, die selbst keiner kennt und die sich über ihre weltbekannten Kollegen echauffieren, weil diese ja nur “Geld machen” und ganz bestimmt schon “richtig reich” damit geworden sind – jaaaaaaaa ich weiß, dass muss ja wirklich schrecklich sein, mit seinem Traumberuf so finanziell sorglos zu sein 😉 Ach und übrigens – kennst du es auch, dass man als Cellist während der Probe von den Blechbläsern immer so – natürlich nur, wenn man selbst nicht guckt – angestarrt wird!? Ich habe definitiv Augen im Kopf, ja, auch hinten!
Und ja, irgendwie finde ich es tatsächlich auch ein bisschen schade, denn ich bin schon ein wahnsinnig guter Teamplayer und bringe mich gerne als Unterstützer ein. Doch es muss definitiv passen und wenn es nicht glücklich macht und zu viele Nachteile mit sich bringt, ist es einfach das Falsche – darüber gründlich nachzudenken, empfehle ich dir auch!
Ach, was ich noch gar nicht erzählt hatte: meine interessanteste Stelle bisher am Theater war übrigens die als Souffleuse (als Kind wollte ich u.a. Schauspielerin werden)! Diese Audition habe ich unter all den Souffleusen tatsächlich als komplette Laien-Souffleuse gewonnen – wie du siehst, alles ist möglich und in diesem Fall war es mit Sicherheit meine entspannte Herangehensweise. Und auch bei dieser Arbeit habe ich sehr viel Neues gelernt 😉
Wenn du also ins Orchester willst, dann soll dir dieser Beitrag deinen Traum definitiv nicht ausreden, sondern im Gegenteil, SCHNAPP DIR DEINE STELLE! Gern helfe ich dir, dein Lampenfieber in den Griff zu kriegen und sicherer und selbstbewusster auf der Bühne zu werden (denn das, was es dir vermasselt, sitzt in deinem Unterbewussten und entfaltet von da aus seine Wirkung – kann man definitiv auflösen bzw. in den Griff kriegen!).
Wenn du aber, so wie ich, noch andere Talente hast, dann überleg´doch mal, wie du daraus noch mehr machen und dir etwas eigenes aufbauen kannst – auch das ist definitiv möglich und gerade in Zeiten von Corona gar keine schlechte Idee.
Alles Liebe für dich,
deine Louise
P.S. Hier geht´s zur 1:1 Beratung bzw. einem hochindividuellen, persönlichen Coaching – falls du gern direkt umsetzbare Tipps hättest. Ansonsten: schau gern auf meiner Seite www.cellospirit.com vorbei, dort findest du sicher noch mehr Interessantes für dich.
PPS.: Sollte es dir wirklich ernst sein mit dem Probespielen und der Orchesterstelle, dann musst du nicht nur dein Spiel, sondern v.a. erst einmal deine Übpraxis verbessern! Den ersten Schritt dafür gebe ich dir hier mit an die Hand: trag dich ein.
Hast du dich auch schon öfter gefragt, ob es in deinem Alter überhaupt noch möglich ist, ein Instrument wie Cello spielen zu lernen? Ok – dann habe ich hier eine – und nicht die einzigste – echte Erfolgsgeschichte für dich, wenn du dich fragst:
Es war im Herbst 2006. Ich hatte die Aufnahmeprüfung für mein Musikstudium bestanden und war euphorisch und voller Tatendrang in der kleinen Skyline-Metropole Frankfurt am Main gelandet. Hochhäuser, türkisfarbene U-Bahnen und endlich mal mehr Menschen verschiedener Hautfarben… Für mich als Eher-Kleinstadt-Mensch eine große Sache und JA, in diesem Flair konnte ich absolut meinen Traum eines Cellostudiums aufnehmen…
Für mich gab es schon immer genau zwei Dinge, die ich in meinem Leben machen wollte: reisen und Musik. Ich war etwa vier Jahre alt, als meine Mutter noch regelmäßig vor dem großen Notenständer im Elternschlafzimmer stand und Geige spielte. Das faszinierte mich. Und ich wollte das unbedingt auch!
Leider war mein Opa ein sehr angesehener Musiker mit einem hohen Erwartungsanspruch, den er auch auf seine Tochter, meine Mutter, übertrug. Das führte dazu, dass ihr das Geigespielen immer schwer fiel. Ihr launischer, nach ihren Erzählungen nach völlig inkompetenter Geigenlehrer tat den Rest dazu. Und trotz ihrer fleißigen Benühungen fand sie so nie die tiefe Erfüllung und Zufriedenheit in der Musik, die ihr das Geigenspiel ohne all das vielleicht offenbart hätte.
Nur wenige Monate, nach dem ich mein Musikstudium aufgenommen hatte, meldete sich Herbert bei mir. Herbert war damals 64, frisch pensioniert und suchte nach einem Cellolehrer. Was dann passierte, werde ich nie vergessen, denn es gleicht für mich fast einem Wunder, was ich immer wieder mit anderen Menschen teile und welches mich selbst inspiriert, wenn ich mal wieder in einem Motivationstief feststecke.
Cello spielen oder in der Ecke verstauben lassen?
Herbert und seine Frau hatten lange ein altes Cello auf dem Dachboden herumstehen. Da es immer mehr einstaubte, überlegten sie sich, welchen Sinn sie diesem schönen Instrument geben konnten. Schließlich schenkte Anna, Herberts Frau, ihm zum Geburtstag einen Gutschein über zehn Stunden Cellounterricht. Auf diese Weise sollte das Instrument endlich einen Nutzen finden. Und Herbert konnte seinen Kindheitstraum wieder aufleben lassen…
Herbert brachte das Instrument zum Geigenbauer, lies es von ihm herrichten und bat mich nun, ihm dabei zu helfen, dem Cello ein paar schöne Töne zu entlocken. Er selbst hatte absolut keine Ahnung von dem Instrument und Noten lesen konnte er auch nicht. Auch er hatte durch seinen musikfanatischen Vater ähnliche Erfahrungen gemacht, wie meine Mutter mit ihrem Vater und der Geige.
Cello spielen ist keine Frage von Talent, sondern von Fleiß
Nachdem Herbert seinen “Gutschein” bei mir eingelöst hatte und die zehn Cellostunden damit nun vorbei waren, gab es kein Zurück mehr. Alles, was ich ihm bis dahin gezeigt hatte, ließen in ihm die Freude für das Instrument und die Begeisterung am Musikmachen noch einmal so richtig aufkommen. Und wir spielten bereits erste, einfache Stücke zusammen. Herbert nahm sich Zeit und setzte das, was ich ihm beibrachte, mit unglaublicher Hingabe um. Er hatte es in erstaunlich kurzer Zeit geschafft, seine Kenntnisse und Fertigkeiten mit meiner Hilfe Schritt für Schritt zu erweitern und war dadurch bald in der Lage, seine Lieblingslieder auf dem Cello zu spielen.
Nach sechseinhalb Jahren kam Herbert immer noch zum Cellospielen zu mir. Mittlerweile spielte er ein Stück, an welchem ich im Rahmen meines Musikstudiums ebenfalls gerade arbeitete: die erste Suite für Violoncello Solo von Johann Sebastian Bach – kein leichter “Brocken”… Ein Zitat von Herbert heute:
„Du hast mich soweit gebracht, dass es mir ehrlich Freude macht, harmonisch, melodisch, rein und methodisch, punktiert auf 2 Bögen zu spielen die Noten. Viel mehr kann ich heute schon als vor 50 Jahren, als Finger und Synapsen noch gelenkiger waren.“
Musik lässt sich nicht aufhalten
Während ich damals noch dachte, dass dieser Mann ein echtes “Talent”, ein “Wunderkind” ist, weiß ich heute: jeder Mensch ist hochmusikalisch und es braucht einiges an Wissen, Können, Sensibilität und Ideen, um diese verschüttete Seite am Menschen wieder freizulegen und zu entfalten. Mir tut es immer richtig weh und sogar Leid, wenn ich von Menschen höre: “Ich wollte immer ein Instrument spielen, aber ich bin total unmusikalisch…” oder “Ich war nicht talentiert genug…”. Schmerzhaft ist es für Viele auch, zu glauben, sie hätten das falsche Instrument gelernt und für ihr eigentliches Lieblingsinstrument seien sie nun zu alt, sei es nun zu spät…
Und dann erzähle ich immer die Geschichte von Herbert.
Mittlerweile habe ich viele Herberts an meine Hand genommen und ihnen dabei geholfen, ihren Traum doch noch zu verwirklichen. Und ganz ehrlich – übers Musik machen und all diese Dinge werden ganz schön viele Märchen erzählt – achte genau darauf, wer sie dir erzählt… 😉
Titelfoto: Auntie Maureen - Boy With Cello - Eva Besnyö (Ungarn 1931)
Cello spielen – gehörst du auch zu jenen, die irgendwann einmal angefangen haben, das zu lernen? Und es dann aber wieder gelassen haben? Weil es nicht so gut geklappt hat und du ja eigentlich sowieso auch gar nicht so viel geübt und wenig Zeit dafür hattest…
Cello spielen IST lernbar, auch mit wenig Zeit
Weißt du, was für mich als Lehrerin das Schlimmste ist? Zu sehen, wie sich jemand endlich (!) dazu durchgerungen hat, seinen großen Traum, Musik, wahr zu machen! Und wie er oder sie ihn sich dann selbst wieder zerstört, indem er/ sie ein paar ganz einfache Regeln, die wir auch aus anderen Lebensbereichen kennen, nicht beachtet.
Wenn dir das durch diesen Beitrag klar geworden ist, bin ich schon mal sehr sehr froh. Ich sage nicht, dass du nochmal der nächste Stjephan Hauser oder die Jacqueline du Pré des 21. Jahrhunderts wirst! Ich kann dir aber sagen, dass selbst meine Schüler, die nicht mehr aktiv im Arbeitsleben stehen, durch eine strukturierte, klare Herangehensweise und v.a. die Liebe zum Instrument und zum Entdecken von Musik ganz schnell sogar ordentliche Sprünge machen.